Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat am 26. August 2024 (Az. 102 VA 108/24) entschieden, dass ein Antrag auf Anonymisierung von personenbezogenen Daten im Klageregister nicht über den Weg eines gerichtlichen Verfahrens gemäß § 23 EGGVG angefochten werden kann. Diese Entscheidung hat wichtige Auswirkungen für Kapitalanleger, die ihre Daten geschützt wissen möchten, wenn sie an einem Musterverfahren teilnehmen.
In diesem Artikel erklären wir, was hinter dem Urteil steckt, welche Rechte Anleger haben und was diese Entscheidung für die Praxis bedeutet.
Hintergrund: Warum ging es in dem Fall?Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG-Verfahren) sind Verfahren, die vor allem bei größeren Schadensfällen, etwa im Zusammenhang mit Aktien oder Fonds, genutzt werden. Hierbei können viele Anleger gemeinsam vorgehen, um Ansprüche gegen Unternehmen durchzusetzen.
Im Rahmen solcher Verfahren müssen bestimmte Informationen öffentlich gemacht werden, damit alle betroffenen Anleger informiert sind. Dazu gehört auch die Veröffentlichung von Beschlüssen im sogenannten Klageregister, das im Bundesanzeiger geführt wird.
In diesem speziellen Fall wollten die Antragsteller, die an einem solchen Verfahren beteiligt waren, ihre persönlichen Daten aus veröffentlichten Beschlüssen anonymisieren lassen. Das Gericht lehnte ihren Antrag ab. Daraufhin versuchten sie, die Entscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen, indem sie einen Antrag nach § 23 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) stellten. Ziel war es, eine gerichtliche Klärung zu erreichen, ob ihre Daten aus dem Klageregister entfernt oder anonymisiert werden können.
Was hat das Gericht entschieden?Das BayObLG erklärte den Antrag der Anleger für unzulässig. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei der Veröffentlichung der Daten im Rahmen eines KapMuG-Verfahrens nicht um einen sogenannten Justizverwaltungsakt, der nach § 23 EGGVG angefochten werden könnte. Stattdessen sei diese Veröffentlichung ein Teil der richterlichen Tätigkeit – und richterliche Entscheidungen fallen nicht in den Anwendungsbereich von § 23 EGGVG.
Mit anderen Worten: Die Ablehnung des Antrags auf Anonymisierung der Daten wurde als rechtmäßig angesehen, weil sie auf richterlichem Beschluss beruht und nicht als Verwaltungsmaßnahme zu werten ist. Das bedeutet, die Antragsteller können diese Entscheidung nicht über den vorgesehenen Weg des § 23 EGGVG anfechten.
Warum ist das wichtig?Dieses Urteil hat eine zentrale Bedeutung für Anleger und andere Beteiligte an KapMuG-Verfahren. Es zeigt, dass die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten im Klageregister Teil des Verfahrens ist und nicht ohne Weiteres rückgängig gemacht oder eingeschränkt werden kann. Die Entscheidung klärt, dass die Veröffentlichung als notwendiger Bestandteil des Verfahrens anzusehen ist, um Transparenz und Information für alle betroffenen Anleger zu gewährleisten.
Zudem macht das Urteil deutlich, dass richterliche Entscheidungen im Rahmen von KapMuG-Verfahren nicht wie Verwaltungsakte behandelt werden. Dies schränkt die Möglichkeiten der Beteiligten ein, gegen solche Veröffentlichungen vorzugehen.
Was bedeutet das für Anleger?Anleger sollten sich bewusst sein, dass ihre personenbezogenen Daten im Rahmen eines KapMuG-Verfahrens öffentlich einsehbar sein können, wenn sie in Beschlüssen erwähnt werden. Eine Anonymisierung ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich – und diese müssen frühzeitig im Verfahren geltend gemacht werden.
2. Vorherige Information ist entscheidendWer an einem Kapitalanleger-Musterverfahren teilnehmen möchte, sollte sich vorher genau darüber informieren, welche Daten veröffentlicht werden könnten. Bei Unsicherheiten können Rechtsanwälte oder Verbraucherzentralen helfen, die rechtlichen Folgen abzuschätzen.
3. Transparenz versus DatenschutzDas Urteil unterstreicht, dass die Transparenz der Verfahren und die Information der Öffentlichkeit überwiegen, wenn es um die Veröffentlichung im Klageregister geht. Für Anleger, die besonderen Wert auf Datenschutz legen, ist dies eine wichtige Erkenntnis.
Rechtslage im Detail: Warum ist § 23 EGGVG nicht anwendbar?Nach § 23 EGGVG können Personen Entscheidungen der Justizverwaltung anfechten, wenn sie durch diese Entscheidungen in ihren Rechten beeinträchtigt werden. Allerdings stellt das BayObLG klar, dass richterliche Maßnahmen – wie die Veröffentlichung von Beschlüssen im Rahmen eines Musterverfahrens – keine Verwaltungsakte sind.
Das Gericht argumentiert, dass solche Veröffentlichungen Teil der Rechtsprechung sind und damit außerhalb des Anwendungsbereichs von § 23 EGGVG liegen. Wer an einem Musterverfahren teilnimmt, muss also damit rechnen, dass richterliche Entscheidungen über die Veröffentlichung von Daten nicht einfach angefochten werden können.
Praktische Tipps für Anleger- Vor der Teilnahme abwägen: Überlegen Sie, ob Sie bereit sind, Ihre Daten im Rahmen eines KapMuG-Verfahrens öffentlich zu machen. Prüfen Sie, welche Vorteile die Teilnahme am Verfahren für Sie bietet und ob diese die möglichen Nachteile überwiegen.
- Rechtsberatung einholen: Sprechen Sie mit einem spezialisierten Anwalt, wenn Sie unsicher sind, welche Rechte Sie haben. Anwälte können auch prüfen, ob eine Anonymisierung in Ihrem Fall beantragt werden sollte.
- Datenschutz im Blick behalten: Überlegen Sie, ob Sie Maßnahmen ergreifen können, um Ihre Daten zu schützen, etwa durch frühzeitige Absprachen mit Ihrem Anwalt oder dem Gericht.
Das Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts klärt eine wichtige Frage für Teilnehmer an Kapitalanleger-Musterverfahren: Eine nachträgliche Anonymisierung der im Klageregister veröffentlichten Daten ist in der Regel nicht möglich, da diese Veröffentlichungen Teil der richterlichen Tätigkeit sind. Für Anleger bedeutet dies, dass sie sich frühzeitig mit den Konsequenzen ihrer Teilnahme auseinandersetzen sollten. Transparenz und Öffentlichkeit haben in solchen Verfahren Vorrang vor den individuellen Datenschutzinteressen der Beteiligten.
Wer an einem KapMuG-Verfahren teilnehmen möchte, sollte sich gut vorbereiten und gegebenenfalls juristischen Rat einholen, um die eigenen Interessen bestmöglich zu wahren.
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