Von Andrea prinz auf Freitag, 25. April 2025
Kategorie: Datenschutz

Kommunale Videoüberwachung: Unterlassungsklagen laut BVerwG nicht durch DSGVO ausgeschlossen

Die Videoüberwachung öffentlicher Plätze ist ein häufig diskutiertes Thema. Dabei stehen sich der Wunsch nach mehr Sicherheit und das Recht auf Privatsphäre gegenüber. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zeigt, dass Betroffene gegen kommunale Videoüberwachung rechtlich vorgehen können – auch wenn die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auf den ersten Blick umfassend scheint.

In diesem Beitrag erklären wir die Hintergründe der Entscheidung und was sie für Bürger, Kommunen und Datenschutz bedeutet.

Der Fall: Videoüberwachung im Klostergarten Passau

Im Zentrum des Rechtsstreits stand eine Videoüberwachung im „Klostergarten" der Stadt Passau. Die Stadt hatte Kameras installiert, um kriminellen Aktivitäten in dem öffentlich zugänglichen Park vorzubeugen. Ein Passauer Bürger sah sich durch die Kameras in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Er verlangte von der Stadt, die Überwachung zu unterlassen und keine Aufnahmen seiner Person mehr zu machen.

Seine Klage basierte auf einem öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch. Doch die Gerichtsinstanzen bewerteten die Zulässigkeit der Klage unterschiedlich.

Was ist die DSGVO und warum ist sie hier relevant?

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) regelt den Umgang mit personenbezogenen Daten innerhalb der EU. Sie gibt Betroffenen weitreichende Rechte, etwa:

Die DSGVO sieht auch gerichtliche Rechtsbehelfe vor, wie in Artikel 79 beschrieben. Allerdings beschränkt sich dieser Artikel auf die Geltendmachung von Rechten, die ausdrücklich in der DSGVO geregelt sind. Die Frage ist: Können Betroffene sich zusätzlich auf andere nationale Rechtsgrundlagen stützen, wie etwa den Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB?

Die Gerichtsentscheidung im Detail 1. Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg

Das Verwaltungsgericht Regensburg wies die Klage 2020 ab. Es argumentierte, dass die DSGVO abschließend regelt, wie Betroffene gegen eine unzulässige Datenverarbeitung vorgehen können. Rechte wie der Unterlassungsanspruch aus dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) seien demnach ausgeschlossen.

2. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH)

Der Kläger ging in Berufung – mit Erfolg. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied 2023, dass die DSGVO einer Unterlassungsklage nicht entgegensteht. Die Argumentation: Die DSGVO überlässt den Mitgliedstaaten die Entscheidung, wann und wie Datenverarbeitungen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben rechtmäßig sind. In Bayern regelt dies das Bayerische Datenschutzgesetz (BayDSG).

3. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG)

Im Mai 2024 bestätigte das BVerwG die Entscheidung des BayVGH. Das Gericht stellte klar, dass die DSGVO nicht abschließend ist, wenn es um Ansprüche geht, die sich auf nationale Gesetze stützen. Im vorliegenden Fall sei die Unterlassungsklage zulässig, weil sie auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und § 1004 BGB zurückgeht.

Warum ist das Urteil wichtig?

Das Urteil des BVerwG hat weitreichende Folgen für die Rechtslage zur Videoüberwachung:

  1. Klarstellung der DSGVO-Interpretation:
    Die Entscheidung zeigt, dass nationale Gesetze und Grundrechte weiterhin eine Rolle spielen, auch wenn die DSGVO grundsätzlich Vorrang hat. Bürger können sich also auf nationale Rechtsansprüche berufen, wenn es um ihre Privatsphäre geht.
  2. Stärkung des Datenschutzes:
    Betroffene haben mehr Möglichkeiten, sich gegen unzulässige Überwachungen zu wehren. Dies stärkt den Schutz der informationellen Selbstbestimmung.
  3. Pflichten für Kommunen:
    Kommunen müssen sorgfältig prüfen, ob ihre Videoüberwachungsmaßnahmen rechtlich zulässig sind. Die bloße Berufung auf Sicherheitsinteressen reicht nicht aus.

Was bedeutet das für Bürger*innen und Kommunen? 

Für Bürger*innen:

Wenn Sie sich durch eine kommunale Videoüberwachung eingeschränkt fühlen, können Sie dagegen vorgehen. Sie haben nicht nur Rechte nach der DSGVO, sondern können auch auf nationale Gesetze wie § 1004 BGB zurückgreifen.

Für Kommunen:

Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung rechtskonformer Videoüberwachung. Kommunen müssen sicherstellen, dass ihre Maßnahmen auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen und verhältnismäßig sind. Zudem sollten sie betroffene Bürger transparent informieren.

Wann ist Videoüberwachung rechtmäßig?

Damit eine Videoüberwachung legal ist, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

  1. Klare Rechtsgrundlage:
    Die Überwachung muss durch Gesetze geregelt sein, z. B. das Bayerische Datenschutzgesetz.
  2. Verhältnismäßigkeit:
    Die Überwachungsmaßnahme darf nicht unverhältnismäßig in die Rechte der Betroffenen eingreifen.
  3. Transparenz:
    Bürger müssen über die Überwachung informiert werden, etwa durch Hinweisschilder.
  4. Zweckbindung:
    Die Daten dürfen nur für den angegebenen Zweck verwendet werden, z. B. zur Bekämpfung von Kriminalität.

Stärkung der Bürgerrechte durch das BVerwG

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein wichtiger Meilenstein für den Datenschutz in Deutschland. Sie zeigt, dass nationale Rechtsgrundlagen wie der Unterlassungsanspruch neben der DSGVO bestehen bleiben. Für Bürger bedeutet das: Mehr Möglichkeiten, sich gegen unzulässige Überwachungen zu wehren.

Kommunen hingegen müssen sicherstellen, dass ihre Videoüberwachungsmaßnahmen rechtlich sauber sind. Datenschutz und Sicherheit können miteinander in Einklang gebracht werden – es braucht jedoch klare Regeln und ein Bewusstsein für die Rechte aller Beteiligten.

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Ihr Team von Datenschutz Prinz