Von Andrea prinz auf Dienstag, 19. November 2024
Kategorie: Datenschutz

Schufa-Urteil setzt Zeichen: DSGVO-Beschwerde nach automatischer Ablehnung der Stromversorgung

Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur automatisierten Entscheidungsfindung sorgt für Aufmerksamkeit und setzt einen neuen Standard in Bezug auf Verbraucherrechte und Datenschutz. Dieses Urteil hat weitreichende Auswirkungen, wie ein aktueller Fall aus Österreich zeigt. Ein Österreicher sah sich mit einer automatisierten Ablehnung seines Antrags auf Stromversorgung konfrontiert, die auf einer Bonitätsprüfung basierte – ohne jegliche menschliche Überprüfung. Die österreichische Datenschutzorganisation Noyb reichte daraufhin Beschwerde ein und sieht die Rechte des Betroffenen nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verletzt.

Die automatische Ablehnung: Ein Stromantrag ohne menschliche Prüfung

Ein Österreicher beantragte beim staatlichen Anbieter „Unsere Wasserkraft" die Stromversorgung. Zunächst erhielt er eine Bestätigung per E-Mail. Doch nur eine Minute später kam die Ablehnung, und das Unternehmen erklärte, dass aufgrund einer „unzureichenden Bonitätsbewertung" kein Vertrag zustande käme. Für die österreichische Datenschutzorganisation Noyb liegt hier ein Verstoß gegen Artikel 22 der DSGVO vor. Dieser Artikel untersagt automatisierte Entscheidungen, wenn sie für die Betroffenen erhebliche Auswirkungen haben – es sei denn, es gibt eine explizite gesetzliche Grundlage oder die Zustimmung der betroffenen Person. Diese Vorgaben zielen darauf ab, dass Entscheidungen, die die Rechte und Interessen von Einzelpersonen betreffen, nicht einfach blindlings von Algorithmen getroffen werden.

Das EuGH-Urteil als rechtlicher Rahmen

Der EuGH hatte im Dezember 2023 im sogenannten „Schufa-Urteil" klargestellt, dass eine automatisierte Bonitätsbewertung, die als Basis für eine wesentliche Entscheidung genutzt wird, als „automatisierte Entscheidung" im Sinne der DSGVO gilt. Demnach ist es nicht nur die endgültige Entscheidung, sondern schon das vorgelagerte Scoring selbst, das den strengen Anforderungen der DSGVO unterliegt. Verbraucher haben laut EuGH-Urteil das Recht, in Fällen automatisierter Entscheidungen eine menschliche Überprüfung zu verlangen, ihren eigenen Standpunkt darzulegen und die Entscheidung anzufechten.

Dieser Beschluss stärkt den Verbraucherschutz erheblich und verpflichtet Unternehmen dazu, bei Entscheidungen, die auf Bonitätsbewertungen basieren, eine manuelle Überprüfung sicherzustellen. Andernfalls verstoßen sie gegen die Rechte der Betroffenen nach der DSGVO.

Warum ist der Fall so bedeutend?

Die DSGVO sieht vor, dass Verbraucher über Datenverarbeitungsprozesse informiert und in der Lage sein sollen, Entscheidungen zu hinterfragen. Noyb sieht in dem Fall des österreichischen Verbrauchers gleich mehrere Verstöße gegen die DSGVO – namentlich gegen die Artikel 13, 14, 15 und 22. Diese Artikel regeln unter anderem das Recht auf Transparenz bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, das Recht auf Einsicht in die eigenen Daten und die Anforderungen an automatisierte Entscheidungen.

Da der Österreicher seinen Stromantrag ohne eine umfassende Erklärung der Ablehnung zurückgezogen bekam, vermutet Noyb eine Verletzung dieser Rechte und fordert eine Überprüfung. Ein weiteres Problem sieht Noyb darin, dass der Kreditschutzverband (KSV) von 1870, der für die Berechnung der Bonitätsbewertung zuständig ist, nicht klarstellte, dass diese Bewertung nur ein Faktor unter vielen ist. In einem aktuellen Statement betonte der KSV jedoch, dass er „stets gesetzeskonform" handele und seine Prozesse nach dem EuGH-Urteil angepasst habe.

Herausforderungen für Verbraucher und Unternehmen

Der betroffene Österreicher sah sich in einer unangenehmen Situation: Auf Basis eines automatisierten Scoring-Verfahrens wurde ihm der Zugang zur Stromversorgung verwehrt, und er wurde auf seine Bonität reduziert – ohne Chance auf eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Anbieter. Der KSV und der Stromanbieter Unsere Wasserkraft schoben sich dabei die Verantwortung zu. Während der KSV betonte, dass seine Scores keine alleinige Entscheidungsgrundlage seien, verwies Unsere Wasserkraft auf den vom KSV ermittelten Score.

Dieses gegenseitige „Schuldzuschieben" zwischen Unternehmen ist ein häufiges Problem, wenn es um datenbasierte Entscheidungsprozesse geht. Verbraucher laufen Gefahr, zwischen verschiedenen Stellen hin und her gereicht zu werden, ohne dass eine der beteiligten Parteien die Verantwortung übernimmt.

Konsequenzen für Datenschutz und Verbraucherrechte

Für die Verbraucher bringt dieses Urteil Erleichterung: Der EuGH betont, dass Unternehmen, die automatisierte Systeme für Bonitätsprüfungen oder andere wesentliche Entscheidungen einsetzen, eine menschliche Beteiligung sicherstellen müssen. Dies schränkt die Macht von Algorithmen und maschinellen Bewertungen ein, wenn diese die Rechte und Interessen von Personen stark beeinflussen können. Damit wird ein neues Bewusstsein geschaffen, dass Daten zwar ein wichtiges Werkzeug zur Entscheidungsfindung darstellen, jedoch nicht alleiniger Maßstab für Entscheidungen sein dürfen, die den Alltag von Menschen beeinflussen.

Datenschutzexperten raten Unternehmen dazu, ihre Verfahren an das EuGH-Urteil anzupassen und die Rechte der Verbraucher verstärkt zu berücksichtigen. Die DSGVO sieht hohe Strafen für Verstöße vor, was Unternehmen dazu zwingt, sich an die neuen Standards zu halten und sicherzustellen, dass ihre automatisierten Entscheidungen DSGVO-konform sind.

Fazit

Der Fall des Österreichers zeigt, wie wichtig der EuGH-Beschluss für den Verbraucherschutz ist. Automatisierte Bonitätsbewertungen dürfen keine endgültigen Entscheidungen ohne menschliche Überprüfung herbeiführen. Das EuGH-Urteil und der aktuelle Fall dienen als Warnung für Unternehmen, die Datenschutzverordnung ernst zu nehmen und ihre Entscheidungsprozesse zu überdenken. Die zunehmende Digitalisierung erfordert neue Regeln und Verantwortlichkeiten, um die Rechte von Verbrauchern zu schützen und sicherzustellen, dass der Mensch im Mittelpunkt bleibt – auch im digitalen Zeitalter.

Sie haben Fragen zu diesem Artikel? Rufen Sie uns gern unter 09122 6937302 an und vereinbaren Sie einen Gesprächstermin. Oder senden Sie uns einfach eine Nachricht. Wir freuen uns, Sie kennenzulernen!

Ihr Team von Datenschutz Prinz

Quelle Noyb