Von Andrea prinz auf Samstag, 07. Dezember 2024
Kategorie: Datenschutz

YouTube und die Löschpflicht nach dem Digital Services Act und DSGVO

In einem kürzlichen Fall hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden, wann YouTube dazu verpflichtet ist, ein Video zu löschen, und wann nicht. Dieses Urteil beleuchtet, in welchen Fällen YouTube und andere Plattformen aufgrund des Digital Services Act (DSA) und der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Inhalte entfernen müssen – und wann sie das nicht tun müssen. Die Entscheidung zeigt deutlich, dass Hostprovider wie YouTube nur in speziellen Fällen für Inhalte haften und diese löschen müssen.

Der Hintergrund des Falls

Ein Video auf YouTube brachte das Thema vor Gericht: In diesem Video, das in der Sprache Farsi gehalten wurde, kritisierte ein in den USA lebender Journalist das Verhalten einer deutschen Firma, die Arbeitskräfte aus dem Iran an deutsche Arbeitgeber vermittelt. Im Video nannte der Journalist die Namen von Personen, die angeblich in unethische Praktiken verwickelt sein sollen, darunter einen Professor und einen Manager der Firma. Der Journalist warf diesen Männern vor, keine nötige Lizenz zu haben, kein Büro in Deutschland zu unterhalten und finanzielle Vorteile aus der Arbeitsvermittlung zu ziehen.

Der betroffene Professor fühlte sich durch das Video in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt und forderte von YouTube die Löschung des Videos. Er begründete dies mit den angeblich falschen Behauptungen, die seine Ehre und sein Ansehen schädigen könnten.

Die rechtliche Entscheidung des OLG Nürnberg

Nachdem der Professor bei YouTube die Löschung beantragte und diese nicht erfolgte, ging der Fall schließlich vor das Oberlandesgericht Nürnberg. In erster Instanz hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth entschieden, dass YouTube das Video löschen müsse. Doch das OLG Nürnberg hob dieses Urteil auf und stellte fest, dass YouTube nicht verpflichtet sei, das Video zu entfernen – weder aufgrund des neuen Digital Services Act noch aufgrund der DSGVO.

Das OLG erläuterte in seinem Urteil, dass ein Hostprovider wie YouTube erst dann verpflichtet ist, Inhalte zu löschen, wenn die Persönlichkeitsrechtsverletzung „unschwer erkennbar" ist. Das bedeutet, dass die Verletzung offensichtlich und ohne komplexe rechtliche Prüfung feststellbar sein muss. YouTube muss daher nur dann eingreifen, wenn es klar erkennbar ist, dass das Video die Rechte des Betroffenen verletzt.

Im vorliegenden Fall war dies jedoch nicht eindeutig der Fall. Die Entscheidung des OLG zeigt, dass das Unternehmen nicht automatisch für den Inhalt der von Nutzern hochgeladenen Videos haftet.

Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten

Ein wichtiger Punkt, den das OLG Nürnberg in seinem Urteil anführt, ist die Abwägung zwischen dem Schutz der Persönlichkeitsrechte und dem Recht auf Meinungsfreiheit. In Deutschland und auch nach europäischem Recht sind sowohl die Meinungsfreiheit als auch der Schutz der Persönlichkeit wichtige Grundrechte. Die Abgrenzung zwischen einer Tatsachenbehauptung und einer Meinungsäußerung spielt hier eine zentrale Rolle.

Das Gericht stellte klar, dass Tatsachenbehauptungen nur dann problematisch sind, wenn sie unwahr sind. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen auch dann akzeptiert werden, wenn sie negativ für die betroffene Person sind. Meinungsäußerungen sind hingegen oft weniger konkret und können durchaus kritisch oder sogar verletzend sein, ohne dass sie rechtlich angreifbar sind. Die Richter urteilten, dass Aussagen wie „Betrug" oder „Diebstahl" im Kontext des Videos als Meinungsäußerung und nicht als Tatsachenbehauptung zu werten sind.

Die Rolle des Digital Services Act (DSA) und der DSGVO

Der Digital Services Act (DSA) soll Plattformen wie YouTube dazu verpflichten, bestimmte Inhalte zu überwachen und im Falle einer offensichtlichen Rechtsverletzung einzugreifen. Doch das OLG Nürnberg betonte, dass dies nur für klare und unzweifelhafte Fälle gilt. Ein Hostprovider muss demnach nicht alle Inhalte proaktiv prüfen. Der DSA verpflichtet Anbieter wie YouTube nur, bei gemeldeten Inhalten tätig zu werden, wenn diese klar rechtswidrig sind. Für komplizierte Fälle, die eine genaue rechtliche Prüfung erfordern, ist YouTube als Plattform nicht zuständig.

Auch das „Recht auf Vergessenwerden" aus der DSGVO, das eine Löschung personenbezogener Daten unter bestimmten Umständen verlangt, greift hier nicht. Dieses Recht gilt nur für eindeutige Daten, deren Verarbeitung nicht mehr gerechtfertigt ist.

Was dieses Urteil für YouTube und andere Plattformen bedeutet

Das Urteil des OLG Nürnberg zeigt, dass Hostprovider wie YouTube sich auf die Meinungsfreiheit berufen können und nur dann Inhalte löschen müssen, wenn die Persönlichkeitsrechtsverletzung klar und ohne Zweifel erkennbar ist. Plattformen müssen Inhalte demnach nicht ständig proaktiv prüfen und entfernen. YouTube und ähnliche Plattformen sind nur dann haftbar, wenn sie explizit über rechtsverletzende Inhalte informiert wurden und die Rechtsverletzung offensichtlich ist.

Diese Entscheidung stärkt die Meinungsfreiheit und schützt Plattformen vor einer Überverantwortung bei der Überwachung von Inhalten. Sie zeigt jedoch auch, dass Nutzer, die sich durch Inhalte verletzt fühlen, konkret darlegen müssen, welche Rechte verletzt wurden.

Für Unternehmen und Einzelpersonen bedeutet dies, dass Kritik, die nicht offensichtlich und eindeutig gegen Persönlichkeitsrechte verstößt, hingenommen werden muss – vor allem, wenn sie als Meinungsäußerung eingestuft wird.

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