Bei internationalen Forschungskooperationen entstehen häufig Transfers personenbezogener Daten in Länder außerhalb der EU bzw. des EWR („Drittländer"). Gerade in der medizinischen Forschung ist dies relevant – etwa für genetische Analysen, biomedizinische Studien oder klinische Forschung mit Partnern im Ausland. Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) hat deshalb Anwendungshinweise veröffentlicht, die helfen sollen, gesetzliche Anforderungen umzusetzen und Risiken zu minimieren.
Nachfolgend finden Sie eine verständliche Zusammenfassung dieser Hinweise – mit Fokus auf Praxisrelevanz und Umsetzung.
Warum besondere Regelungen?
Ein Drittlandtransfer von personenbezogenen Daten berührt mehrere Schutzinteressen und rechtliche Vorgaben:
- Die DSGVO erlaubt grundsätzlich nur solche Übermittlungen, die ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleisten.
- Medizinische Forschung umfasst oftmals besonders sensible Daten (z. B. Gesundheitsdaten, genetische Daten).
- In der Forschung ist häufig noch nicht zu Beginn klar, welche Analysen später stattfinden – das führt zu Herausforderungen bei Zweckbindung und Einwilligung.
Die Anwendungshinweise der DSK spezifizieren, wie Verantwortliche und Forschungsinstitutionen diese rechtlichen Anforderungen bei Drittlandübermittlungen praktisch erfüllen können.
Zwei-Stufen-Prüfung – verpflichtend bei allen Transfers
Die DSK betont: Jede Datenübermittlung an ein Drittland muss in zwei Stufen geprüft werden.
- Erste Stufe – allgemeine Rechtsgrundlage prüfen
- Es ist zu klären, ob eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten nach Art. 6 DSGVO (bspw. Einwilligung) besteht.
- Bei besonderen Kategorien personenbezogener Daten (z. B. Gesundheitsdaten) ist zusätzlich die Ausnahme nach Art. 9 Abs. 2 zu prüfen.
- Grundsatz der Datenminimierung: Es muss geprüft werden, ob mit weniger Daten oder anonymisierten Daten der gleiche Forschungszweck erreicht werden kann.
- Zweite Stufe – Voraussetzungen des Kapitels V DSGVO (Art. 44 ff.)
- Gibt es einen Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission für das Drittland?
- Falls nein, sind geeignete Garantien erforderlich (z. B. Standardvertragsklauseln) und ggf. Ergänzungsmaßnahmen („supplementary measures").
- In Ausnahmefällen kann auf Ausnahmetatbestände (Art. 49 DSGVO) zurückgegriffen werden – allerdings unter engen Voraussetzungen.
Besonderheiten bei Broad Consent und medizinischen Daten
In der medizinischen Forschung wird oft der sogenannte Broad Consent genutzt – das heißt eine breit formulierte Einwilligung, die flexibel zukünftige Forschung zulassen soll.
Die DSK weist darauf hin:
- Der Broad Consent kann eine Rechtsgrundlage der ersten Stufe sein, muss aber so gestaltet sein, dass Transparenz, Zweckklarheit und Rechte der Betroffenen gewahrt bleiben.
- Bei besonderen Daten (Gesundheit, Bioproben etc.) muss zusätzlich geprüft werden, ob Ausnahmen gemäß Art. 9 erlaubt sind.
- Für Drittlandtransfers, die auf einem Broad Consent beruhen, gelten besonders hohe Anforderungen an Garantien und Transparenz – um das Vertrauensprinzip nicht zu gefährden.
- Ein bloßer wirtschaftlicher Vorteil im Drittland (z. B. günstigere Analyse) reicht nicht zur Rechtfertigung einer Übermittlung.
Garantien und Maßnahmen nach Kapitel V DSGVO
Wenn kein Angemessenheitsbeschluss vorliegt, müssen geeignete Garantien getroffen werden:
- Standardvertragsklauseln (SCC) oder genehmigte Verhaltensregeln
- Zusätzliche, datenschutzstärkende Maßnahmen, z. B. Verschlüsselung, Pseudonymisierung, Zugriffskontrollen
- Prüfen, ob lokale Gesetze im Drittland Geheimzugriffsrechte für Behörden erlauben – in solchen Fällen müssen ergänzende Schutzmaßnahmen greifen
Die DSK betont, dass diese Maßnahmen nicht rein formell sein dürfen – sie müssen wirksam konzipiert und umgesetzt sein.
Informationspflichten gegenüber Betroffenen
Gemäß der DSGVO müssen Betroffene über geplante Datenübermittlungen in Drittländer informiert werden:
- Sinnvolle Transparenz über Zweck, Empfänger und Rechtsgrundlage
- Angabe der Garantien, die für die Übermittlung ergriffen wurden
- Klarer Hinweis darauf, dass Daten in Drittländer übermittelt werden
Die DSK hat zu diesem Zweck eine Anlage mit konkreten Empfehlungen formuliert, wie solche Informationen gestaltet werden können (z. B. verständliche Texte, Stichpunkte, Hinweise auf Rechte der Betroffenen).
Ausnahmen bei Drittlandübermittlungen In einigen Fällen erlaubt die DSGVO Übermittlungen auch ohne andere Garantien:
- Wenn ein Angemessenheitsbeschluss existiert
- Unter engen Bedingungen in Ausnahmekonstellationen (Art. 49)
- Bei lebenswichtigen Interessen der betroffenen Person
- In einigen Fällen des öffentlichen Interesses
Diese Ausnahmen sind ausschließlich restriktiv zu nutzen und rechtlich gut zu begründen.
Vorteile dieser Anwendungshinweise - Klare Orientierung für Forschungsinstitutionen und Datenschutzverantwortliche
- Reduktion von Rechtsunsicherheiten und Haftungsrisiken
- Förderung verantwortlicher internationaler Forschung
- Schutz der Rechte betroffener Personen auch bei globalen Projekten
Fazit und Handlungsempfehlungen Die Anwendungshinweise der DSK zeigen: Drittlandübermittlungen in der medizinischen Forschung sind möglich – aber nur mit sorgfältiger Prüfung, klaren Garantien und transparenter Kommunikation.
Für Ihre Praxis heißt das:
- Führen Sie stets eine Zwei-Stufen-Prüfung durch
- Nutzen Sie wirksame Schutzmaßnahmen (z. B. Verschlüsselung)
- Gestalten Sie Einwilligungen transparent und rechtskonform
- Sorgen Sie für klare Informationspflichten gegenüber Betroffenen
- Dokumentieren Sie alle Entscheidungen und Maßnahmen sorgfältig
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