Veröffentlichung von Dashcam-Aufnahmen und Datenschutz: Gerichtsurteil aus Schleswig-Holstein
In einem wichtigen Urteil vom 7. August 2024 hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht klargestellt, dass die Veröffentlichung von Dashcam-Aufnahmen, die aufgenommene Personen und Kraftfahrzeug-Kennzeichen zeigen, nicht von der Rechtsgrundlage des „berechtigten Interesses" nach Artikel 6 Absatz 1 lit. f der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gedeckt ist. Damit weist das Gericht auf die Sensibilität personenbezogener Daten hin, die durch solche Aufnahmen betroffen sind.
Hintergrund des Urteils
Das Urteil (Az.: 8 A 159/20) entstand in einem Rechtsstreit, bei dem die Datenschutzaufsichtsbehörde eine Untersagungsverfügung gegen einen Kläger verhängte, der Videomaterial, das während einer Autofahrt erstellt wurde, auf einer Online-Videoplattform veröffentlichte. Die Aufnahmen beinhalteten neben den Straßenszenen auch sichtbare Kennzeichen und Passanten, die im Verlauf der Fahrt zufällig ins Bild gerieten. Die Datenschutzaufsicht forderte den Kläger auf, solche Daten zu anonymisieren oder vollständig zu entfernen, um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu schützen.
Persönlichkeitsrechte und Datenschutz
Das Gericht stellte fest, dass sowohl Kraftfahrzeug-Kennzeichen als auch sichtbare Personen als personenbezogene Daten gelten. Diese könnten auf bestimmte natürliche Personen zurückgeführt werden – sei es der Halter oder der Fahrer eines Fahrzeugs. Personenbezogene Daten werden in der DSGVO streng geschützt, um die Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Personen zu wahren.
Warum Kennzeichen als personenbezogene Daten gelten
In seiner Begründung argumentierte das Gericht, dass Kennzeichen grundsätzlich einer natürlichen Person zugeordnet werden könnten. Auch wenn das Fahrzeug auf eine juristische Person – also etwa ein Unternehmen – zugelassen ist, bleibt die potenzielle Rückführung auf den Fahrer nicht ausgeschlossen. Mitarbeiter eines Unternehmens könnten durch das Kennzeichen auf den Halter oder Fahrer des Fahrzeugs schließen, was für die betroffenen Personen sensible Informationen über ihren Aufenthaltsort oder ihre Aktivitäten im Straßenverkehr offenlegen könnte.
Kein berechtigtes Interesse laut DSGVO
Das berechtigte Interesse gemäß Artikel 6 I lit. f DSGVO erlaubt die Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann, wenn diese Interessen die Rechte der betroffenen Personen nicht überwiegen. Laut Gericht ist dies hier jedoch nicht gegeben. Die Videoaufnahmen zeigen eine Vielzahl an zufällig gefilmten Personen im öffentlichen Raum, die sich dem Filmen kaum entziehen können, insbesondere bei komplexen Verkehrssituationen oder Kreuzungen, wo sie nicht bemerken, dass sie gefilmt werden.
Die Interessenabwägung des Gerichts
Obwohl die Personen in ihrer „Sozialsphäre" betroffen sind – also im öffentlichen Raum – und die Belastung für sie laut Gericht „eher gering" ist, überwiegen die Interessen der betroffenen Personen dennoch. Die betroffenen Passanten und Fahrer hätten in der Regel keine Erwartungen, im öffentlichen Straßenverkehr gefilmt und dann ohne ihre Zustimmung online veröffentlicht zu werden. In diesem Zusammenhang verweist das Gericht auf Erwägungsgrund 47 der DSGVO, der klarstellt, dass die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person schwerer wiegen, wenn sie nicht mit einer Verarbeitung ihrer Daten rechnen muss.
Technische Anforderungen: Anonymisierungspflicht
Das Gericht betont, dass die Veröffentlichung solcher Videos nur dann datenschutzkonform wäre, wenn der Kläger sicherstellt, dass sowohl Personen als auch Kfz-Kennzeichen nicht identifizierbar sind. Dies kann beispielsweise durch Verpixelung oder das Verblassen der Aufnahmen erreicht werden. Nur so kann verhindert werden, dass Kennzeichen oder Gesichter in den Aufnahmen erkennbar sind, und es wird den Rechten der Betroffenen gerecht. Die durch die Anonymisierung entstehende Beeinträchtigung des Videomaterials wird vom Gericht als „geringfügig" eingestuft, da der Gesamteindruck der Straßenlandschaft dadurch kaum verändert wird.
Auswirkungen auf die Praxis und das Recht auf Selbstbestimmung
Das Urteil stellt eine wichtige Orientierungshilfe für alle dar, die Dashcam-Aufnahmen oder andere Videos aus dem öffentlichen Raum veröffentlichen möchten. Es verdeutlicht, dass das Interesse an der Veröffentlichung solcher Aufnahmen nicht automatisch das Persönlichkeitsrecht anderer Menschen überwiegt. Selbst eine leichte Identifizierbarkeit – wie durch Kennzeichen – kann zu einer Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung führen.
Die Datenschutzbehörden und das Gericht fordern daher eine klare Grenze zwischen öffentlichem Interesse und individueller Privatsphäre. Die Anonymisierungspflicht betont, dass das Persönlichkeitsrecht Vorrang hat, insbesondere in Situationen, in denen Betroffene vernünftigerweise nicht mit einer Aufnahme und Veröffentlichung ihrer Daten rechnen müssen.
Fazit
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts zeigt, wie sorgfältig personenbezogene Daten im Rahmen von Videoaufnahmen im öffentlichen Raum zu behandeln sind. Die DSGVO sieht strenge Regeln vor, um das Persönlichkeitsrecht und die Privatsphäre der Betroffenen zu schützen, selbst in scheinbar harmlosen Situationen des öffentlichen Lebens. Damit gibt das Gericht klare Leitlinien für die datenschutzkonforme Handhabung von Dashcam-Aufnahmen und ähnlichen Videos, bei denen sowohl Kfz-Kennzeichen als auch zufällige Passanten erkennbar sind.
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Ihr Team von Datenschutz Prinz
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